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Korbsessel an.
»Darf ich mich einen Moment setzen?«
Was ist passiert? Sie spricht ein wunderschönes, korrektes
Englisch; sie ist höflich, und ihre Sprachmelodie klingt ein
wenig exotisch. Meine Verblüffung hindert mich daran, höf-
lich zu sagen, nein, das geht jetzt nicht, ich habe so entsetzlich
viel zu tun, verstehst du.
»Natürlich. Möchtest du & Kaffee? Möchtest du eine Tasse
Kaffee?«
»Ja, bitte.«
Der Stuhl ächzt nur ganz leicht, als sie sich setzt; unter
meinem Gewicht droht er immer lautstark mit einem
Zusammenbruch.
Das Klappern der Kaffeetassen und das Zischen des
Gasherdes sorgen dafür, dass die jetzt folgende Pause nicht
peinlich wird. Außerdem sind wir daran gewöhnt, zusammen-
zusein, ohne zu kommunizieren. Ich schinde Zeit. Suche den
Kaffee. Suche Filtertüten. Kann die Milch nicht finden. Aber
der Kühlschrank ist nicht groß genug, und endlich muss ich
mich dann doch setzen. Ich schlürfe laut und schaue in meine
Tasse. Noch immer bin ich nur mit T-Shirt und Unterhose
bekleidet, aber aus irgendeinem Grund macht es mir nichts
aus.
»Warum bist du eigentlich hier?«
Wieder singt ihre Stimme.
»Urlaub, natürlich. Ich bin hier im & Urlaub. Natürlich.«
Ihre Hände umschließen die Tasse, aber sie scheint sich
nicht zu verbrennen.
»Ich halte dich nicht für eine typische Touristin.«
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»Halte dich nicht für & « Die Frau hat mich an der Nase
herumgeführt. Einfach an der Nase herumgeführt. Ein heili-
ger Zorn wächst in mir, das tut gut und sorgt für Distanz.
»Warum willst du nicht nach Hause?«
»Weil ich Urlaub mache. Das habe ich doch schon gesagt.«
»Aber du kannst nicht ewig hier bleiben. Oder hast du das
vor?« Ihre Fragen sind unverschämt. Und ungeheuer un-
passend. Sie ist meine Putzfrau. Sie geht zu weit.
»Jetzt gehst du zu weit.«
»Natürlich tue ich das. Ich bin ja nur deine Putzfrau.«
Diese Spitze kommt so leise und feingeschliffen, dass mir
glühend heiß wird. Sie lebt in diesem Land. Ich bin hier zu
Besuch. Sie ist eine alte Frau.
»So war das nicht gemeint«, murmele ich. »Ich möchte nur
meine Ruhe haben.«
Asha erhebt sich, elegant und schnell, und mit etwas, das
mir wie eine einzige Bewegung vorkommt, steht sie plötzlich
in der Tür und kehrt mir den Rücken.
»Sei vorsichtig mit Pierrot.«
Pierrot? Jetzt spricht sie diesen Namen ganz deutlich aus,
es fällt mir absolut nicht schwer, ihn zu verstehen. Es hört
sich nicht einmal entfernt nach Petter an, ich kann nicht ver-
stehen, wie ich mich so verhören konnte.
»Du kannst ihn nicht mitnehmen«, sagt sie zum Tag
draußen. »Er weint jetzt abends, weil er ein kluger Junge ist.
Er sieht, dass du nicht hierher gehörst.«
Wie in einer unvollendeten Pirouette dreht sie sich in Zeit-
lupe wieder zu mir um.
»Pierrot ist ein ungewöhnliches Kind. Er versteht sehr viel.
Er trauert schon um dich, aber er mag dich zu sehr, um dir
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aus dem Weg zu gehen. Nimm darauf Rücksicht. Nur darum
wollte ich dich bitten.«
Wieder steht sie so, dass ich ihr Gesicht nicht sehen kann,
sie zeichnet sich nur schwarz und mager und mit einem hellen
Glorienschein in der Tür ab.
»Willst du mir den Umgang mit ihm verbieten?«
»Das nun wirklich nicht. Es tut ihm gut, mit dir zusammen
zu sein, und er findet es wunderbar. Wie alle anderen muss er
den traurigsten Aspekt des menschlichen Daseins kennen
lernen: Wir müssen es wagen, zu lieben, auch wenn wir wis-
sen, dass wir die Liebe nicht bewahren können. Sogar dann,
wenn wir wissen, dass wir sie verlieren werden.«
Asha kommt auf mich zu und bleibt erst dicht vor meinem
Sessel stehen. Langsam fährt sie mir über den Arm; ihre Haut
ist rau und warm, von einer seltsamen, trockenen Konsistenz,
die beruhigend auf mich wirkt.
»Vergiss nicht, dass das Leben so ist, Synne. Auch für dich.
Ich bitte dich nicht, ihn abzuweisen. Ich bitte dich, daran zu
denken, dass das hier vorübergeht. Das ist alles.«
Als sie mich verlässt, dreht sie sich noch einmal kurz um.
»Pierrot hat eine abenteuerliche Geschichte. Ich werde sie
dir irgendwann erzählen. Ehe du diese Insel verlässt. Ich weiß
nicht, ob sie dir etwas nützen wird, aber vermutlich wird sie
dich interessieren.«
Als sie gegangen ist, duftet der Raum nach Zitrone, und ich
schaffe es nicht, aufzustehen.
Asha hat meinen Namen perfekt ausgesprochen.
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»Du bist einfach verrückt. Total.«
»Durch und durch vollkommen verrückt, und ich liebe
dich.«
Die Nylonplane hat bedrohlich gewirkt, als sie in heftigen
Bewegungen hin- und hergewogt ist und dabei immer größer
wurde; der Flammenwerfer spie den Ballonbauch in tiefen,
wütenden Zügen voll mit Heißluft. Der ästhetische Eindruck
wurde zwar zum Teil von dem riesigen und jede Minute deut-
licher werdenden Telenor-Emblem beeinträchtigt, doch an
diesem Tag konnte nichts ruiniert werden.
»Ich trau mich nicht.«
Rebecca fuhr nach einem plötzlichen Fauchen des Brenners
zusammen und lief mit kleinen schnellen Schritten rückwärts
über die Ekebergsletta.
»Aber sicher traust du dich«, beharrte Synne. »Das wird
einfach phantastisch.«
Zwei Tage waren seit Rebeccas Geburtstag vergangen. Und
sie hatten sich seit einer ganzen Woche nicht mehr gesehen.
»Das ist mein Geschenk. Etwas, das du nicht verstecken
musst. Oder wegwerfen.«
»Ich werfe nicht alles weg, Synne«, protestierte Rebecca.
Die Resignation in ihrer Stimme brachte Synne dazu, auf
und ab zu springen und mit den Armen zu fuchteln.
»Vergiss es! Das macht nichts. Das hier wird phantastisch!«
Plötzlich machte sie auf dem Absatz kehrt und lief zum
Auto zurück. Sie kam mit einem riesigen Weidenkorb und
einem Ghettoblaster unter dem Arm zurück.
»Picknick, Rebecca. Wir machen ein Ballonpicknick. Wir
werden über Oslo dahinsegeln, wir werden unter dem
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Himmel schweben und ganz allein sein und Geburtstag feiern
und glücklich sein!«
»Und was ist mit dem da & ?«
Rebecca wies auf einen jungen Mann, der vollauf damit
beschäftigt war, das Monstrum aufzurichten.
»Ach, der. Den müssen wir leider mitnehmen. Sonst kom-
men wir weder hoch noch runter. Aber das macht doch sicher
nichts. Er ist sozusagen ein Angestellter. Er wird dafür
bezahlt, dass er den Mund hält.«
Sie blieben schweigend stehen, während der Ballon immer
mehr anschwoll, und als er sich dann zu seiner vollen Höhe
aufgerichtet hatte, versuchte Rebecca nicht einmal zu
protestieren, als der junge Mann ihnen mit geübtem Zugriff
an Bord half.
»Es ist ja gar kein Wind.«
Rebecca staunte, und jetzt hatte sie sich ganz an den Rand
gewagt, um nach unten zu schauen.
»Reling. Das heißt Reling. Das hier ist eine Gondel. Und
natürlich weht kein Wind, wir fahren doch in Windrichtung
und haben deshalb dieselbe Geschwindigkeit. Sieh nur!«
Synne beugte sich über die Reling. Die Gondel schlingerte
ein wenig, aber Synne hatte den Arm um Rebecca gelegt und
hinderte sie daran, sich zurückzuziehen.
»Mein Haus! Siehst du das? Das unten beim Fußballplatz!«
Rebecca nippte an ihrem Champagner und starrte zum
Brenner hoch, der in unregelmäßigen Abständen ein
wütendes Fauchen ausstieß. Dann schaute sie nach unten.
Und am besten war, dass sie Synnes Arm dort ließ, wo er
war. Beiden wurde schwindlig.
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Oslo klebte unter ihnen an seinen Hängen. Der Fjord
glitzerte, als habe irgendwer alle Edelsteine der Welt an einer
Stelle abgeworfen; es tat weh und war doch ein schöner An-
blick, und keine hatte eine Sonnenbrille mitgebracht. Die
Häuser waren klein, aber deutlicher als vom Flugzeug aus;
Oslo war zu Legoland geworden. Der Ballon war gerade so
hoch oben, dass sie die Menschen dort unten noch gut
erkennen konnten, die meisten mit trägen, spärlich bekleide-
ten Ferienbewegungen, unterwegs zum Park oder zum Kiosk,
um Eis zu kaufen, andere stiegen in Autos ein und aus, die
sogar zu hören waren, jedenfalls dann, wenn der Brenner
schwieg. Ab und zu sahen sie, wie jemand dort unten die
Hand an die Stirn legte, wie zum Salut, und zu ihnen hoch-
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